Rede des stellvertretenden Schulleiters Christoph Riesner nach der Theateraufführung „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind anlässlich der Verabschiedung der Mitwirkenden aus dem Jahrgang 12

„Seit 1992, also von Beginn an, als sie noch als Wahlpflichtkurs in der 11. Klasse gegründet wurde, begleite ich indirekt die eine Theatergruppe des Gymnasiums Carolinum. Kein Wunder, werden Sie bei sich denken, habe ich doch den engen Draht, den engsten Draht zwölf Monate dorthin. (schaut und zeigt hinter die Bühne) Erfahre ich doch hautnah jedes Jahr – ein halbes Jahr lang – vom Suchen und Finden eines – Gott sei Dank - geeigneten Stückes über die Proben, vom Gesehenen auf der Bühne – Kostüme, Requisiten, Licht, Ton – und von so vielem, das man nicht sieht hinter der Bühne, von allen Höhen und Tiefen, manchmal auch Untiefen, bis Ihr die Höhen und heute Euch selbst übertroffen habt.

Liebe Schauspieler – und ich sage bewusst Schauspieler – Ihr braucht keinen roten Teppich wie in Cannes oder Venedig oder Berlin – Ihr habt in drei großartigen Vorstellungen gezeigt, wozu Ihr in der Lage seid. Großartig ist, glaube ich, das passende Wort hier. (Beifall)

Als das Stück 1906 uraufgeführt wurde, gab es natürlich Krach, wie Sie vielleicht gelesen haben. Aber Ihr habt uns die immerwährenden Dinge Jugendlicher von Erwachsenwerden, Sexualität, Selbstfindung und Sich-noch-nicht –Finden hautnah gezeigt. Dafür möchte ich Euch im Namen des Carolinum nochmals herzlich danken! (Beifall)

Ich danke im Besonderen auch der Bernburger Kultur- und Freizeit GmbH und dem Theaterverein, die es jedes Jahr ermöglichen, dieser wunderbaren Theatergruppe diese Bühne zu eröffnen, und ich danke Ihnen, liebes Publikum, dafür, dass Sie uns über die vielen Jahre treu geblieben sind und hoffe, Sie bleiben uns auch in den nächsten Jahren gewogen. Vielen Dank!“ (Beifall)

Es soll Rosen für euch regnen

Mit diesen Worten kündigten wir uns am Tag der Premiere von „Frühlings Erwachen“ der Theatergruppe an und machten unser Versprechen am Samstag auch wahr.

Ein Jahr ist lang, dachte ich, aber dabei hatte ich mich getäuscht. Ohne es zu merken, verging ein Jahr nach unserem eigenen tränenreichen Abschied und die Theatergruppe stand mit einem neuen Stück in den Startlöchern. Neue Gesichter kamen und bekannte Gesichter gingen. Es war – wie jedes Jahr - emotional und ich bin so stolz auf alle Mitwirkenden, sowohl auf als auch hinter der großen Bühne, die nach allen Turbulenzen, Anstrengungen und schweißtreibenden Wochen dieses Stück ermöglicht haben. Zugegeben, das klingt doch eher nach Qualen als nach Freude und Freizeit, aber ich kann alle beruhigen: So schlimm ist es gar nicht (und ich spreche aus Erfahrung).

„Theaterspielen ist unsere Leidenschaft“, so hieß es nach der letzten Aufführung und was soll ich sagen? – Genau das hat man gespürt. Die Theatergruppe hat es geschafft, trotz einer an manchen Stellen ähnlichen Thematik wie im Vorjahr, ein neues Bild zu erschaffen und das nicht einfach nur durch andere Kostüme. Von beklemmender Stimmung, über Denkanstöße hin zu einer urwitzigen Szene haben sie alles gemeistert. Sie haben mit „Frühlings Erwachen“ gezeigt, was gestern wie heute kaum aktueller in unserer Gesellschaft sein könnte. Ein Stück, mit dem nicht jeder von Anfang an warm geworden ist, aber alles braucht seine Zeit, auch wenn die Premiere dann meist schneller vor der Tür steht, als allen lieb ist. Nichtsdestotrotz hat sich das auf der Bühne niemand anmerken lassen, ich war begeistert vom Durchhaltevermögen, manchen umfangreichen Dialog oder auch Monolog einfach so zu spielen, als wäre es das eigene Leben. Auch kann ich mir vorstellen, dass es einige Szenen gegeben hat, welche beim Proben doch etwas unangenehm gewesen sein könnten … Aber auch davon hat man im Endeffekt nichts mitbekommen.

Weiterhin will ich auch erwähnen, dass es schon riskant klingt, eine Hauptrolle mit einem Novizen im Theaterbusiness zu besetzen, aber sowas spielt keine Rolle, wenn man bedenkt, dass es beim Theaterspielen eben um die Leidenschaft geht. Hut ab also vor Bob Heyer mit seiner Verkörperung als Melchior und seinem zugleich ersten Bühnenauftritt. Ich hatte die langen Dialoge bereits erwähnt und daher bekommt nun Patrick Jende als Moritz meine Ladung Respekt ab, der im Zusammenspiel mit Bob herzzerreißend emotional war. Zuckersüß und gleichzeitig sehr reif präsentierte sich Hermine Bielefeld als Wendla, welche natürlich stets von ihrer besorgten Mutter – Laura Trümper - begleitet wurde. Felix Götz als Herr Gabor, leider nur in einer viel zu kurzen Szene zu sehen, rührte mich im Zusammenspiel mit Lena Sorowka als seiner Ehefrau zu Tränen. Aber neben diesen Tränen gab es auch einige vor (zeitweise auch bitterem) Lachen, als Henrike Bader als Rektorin Sonnenstich ihre Lehrerschaft, bestehend aus Pauline Stockmann, Tino Müller, Erik Lemke, Lena Böttcher und Erik Werner über Melchiors Schicksal entscheiden ließ, unter Aufsicht von Lilly Repert als Fräulein Habebald. Aber die dramatischen oder teils auch melancholisch anmutenden Rollen überwogen, wie Hänschen Rilow, gespielt von Leon Rauch, welcher die heimliche Liebe zu seinem Schulkameraden Ernst Röbel (Aaron Rost) entdeckte. Natürlich sind auch Max Pietsch und Johannes Krause als weitere Schulkameraden zu erwähnen. Und wo es Jungs in solch einem Stück gibt, lässt auch eine Mädchengruppe nicht lange auf sich warten. Als Wendlas Freundinnen waren Lotta Schumann, Annemarie Domann und Clara Winona Huakasi auf der Bühne zu sehen. Etwas verrucht, aber gleichzeitig als gute Seele ergänzte Ilse, gespielt von Charlotte Schein, das Stück. Den Preis für das beste Kostüm und gleichzeitig die Rolle mit der größten Metaebene erhält Lucas Wartmann als „vermummter Herr“ oder auch „das Leben“. Lena Pietzsch als Wendlas Schwester, Bill Heyer in der Rolle des Herrn Stiefel und Fabian Naumann, welcher als Arzt versuchte, Wendla in ihrer Unwissenheit zu belassen, rundeten das Stück ab.

Solch ein Theaterstück kann natürlich nur reibungslos über die Bühne gehen, wenn auch hinter der Bühne alles rund läuft – ein großes Dankeschön an Pauline Stockmann, die mit ihrer Arbeit als Inspizientin eine sehr wichtige Rolle übernahm. Ein großer Dank gilt natürlich auch den Souffleusen Annabell Uhl und Tabea Lindner. Tristan Herbst ist ebenfalls zu danken, denn mit Ton und Musik wirkt solch ein Stück ganz anders. 

Als Ehemaliger im Publikum, auf der anderen Seite sitzend, wusste man genau, wie alle Beteiligten sich hinter der Bühne fühlten, was der eine oder andere gerade tat oder wie man die Zeit bis zum eigenen Einsatz am besten überbrückte. Von daher war es für mich ein neues, aber gleichzeitig wunderschönes Erlebnis, alle dort oben als eine große Familie spielen zu sehen. Ich war den Tränen sehr nahe und wer mich kennt, weiß, dass spätestens bei der Verabschiedung alles gelaufen war.

Die Rosen -  die habt ihr euch verdient, ohne jeden Zweifel.

Nele Vahl