Fotos: Jana Beyer

Romulus der Große…? …Ja.

Die Theatergruppe unseres Gymnasium Carolinum setzte in diesem Jahr wieder einmal auf Dürrenmatt. Nach dem "Besuch der alten Dame" vor einigen Jahren waren die Zuschauer der Premiere am 23. Januar ihrerseits auf den Landsitz des letzten weströmischen Kaisers Romulus des Großen eingeladen. Eigentlich hieß der ja Romulus Augustulus…sozusagen ein dummer August, was sich darin zeigte, dass er mit seinen 15 Jahren nichts Anderes als eine Handpuppe des Feldherren Orestes war und am Hofe unverhohlen verspottet wurde. Dürrenmatt gab seinem Kaiser ein anderes Charisma. Dass dieser lieber Hühner züchtete und Eier aß, als sich auf einen Kampf gegen die herannahenden Germanen einzulassen, wirkte oftmals komisch und auch grotesk -  hatte aber tiefe Gründe und eine humanistische Grundhaltung, denen der eine oder andere Lacher aus dem Publikum mitunter nicht gerecht wurde. Romulus verfolgt mit seinem "Regierungsstil" den Plan, Rom für seine blutigen Kriege und Gräueltaten zu bestrafen, indem er es von den Germanen vernichten lässt. Seine Familie und sein verbliebenes Gefolge verlassen ihn in "Endsiegstimmung" , um aus dem Hinterland zum entscheidenden Schlag gegen die absolute Übermacht der Germanen auszuholen. Dass sie fast alle auf der Floßfahrt nach Sizilien ums Leben kommen, ist ebenso eine Metapher wie die Kriegsmüdigkeit des Germanenfürsten Odoaker, der Rom nicht vernichtet und sich mit Romulus engagiert. Dieser literarische "Winkelzug" Dürrenmatts ist der Zeit geschuldet,  in der dieses Stück zur Uraufführung kam- 1949, fünf Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges.

Von unseren jungen Schauspielern verlangte dieses Stück einen unwahrscheinlichen Spagat zwischen Komik und Tragik. Diesen bekommt man nicht so "nebenbei" hin. Er erfordert Professionalität, Leidenschaft und Einfühlungsvermögen. All das konnte der Zuschauer zur Genüge genießen. Alle Beteiligten an diesem heiter-ernsten Stück überzeugten mit den gerade erwähnten Gaben. Sie spielten sich in ihre Rollen hinein und waren für die Dauer der gesamten Veranstaltung z.B. nicht Neele Schumann, sondern Pyramus, nicht Henriette Schein, sondern Achilles. Man hofft, dass Nastasia Rauch nach dieser großen Leistung endlich genügend Schlaf zur Erholung findet. Vanessa Hartmann als Romulus' Tochter und Christoph Muhlack als Ämilian überzeugten in ihrer "Opferrolle" für das Reich ebenso, wie in ihrem leisen Liebesbekenntnis. Marcus Gapinski, alias Zeno, litt "köstlich" unter der Schmach, fliehen zu müssen - noch mehr allerdings unter seinen Kämmerern Andrea Bauer und Nico Senf, die ihrem Kaiser ganz schön den Marsch bliesen. Johanna Beyer spielte den Innenminister Tullius ebenso facettenreich wie Antonia Zahm  den Kriegsminister Mares. Ein Gag der besonderen Art war, die Rolle des  Industriellen Cäsar Rupf mit Kinh-Bac Nguyen zu besetzen - urkomisch seine Vorstellung in der Alpentracht. Seine Mimik- einfach umwerfend. Vincent Rochel verlieh dem Fürsten Odoaker ein ehrliches Maß an Enttäuschung und Kriegsmüdigkeit - sehr überzeugend. Die beiden Kommentatoren Laura Sophie Pape und Patricia Götz mischten sich vom Rang aus ins Geschehen ein und benannten Mängel der heutigen Zeit, die zum Nachdenken anregen sollten. Konstantin Pilz, Romika Eisold, Julia Palatini und Lara Hecke rundeten das Bild nicht nur schlechthin ab, sondern gaben ihm mit das Gefüge und die Einmaligkeit, wobei Lara noch dafür sorgte, dass sich ihre besorgten Schauspielerkollegen keine Sorgen machen mussten, wenn sie im Text einmal nicht weiterwussten. Bleiben noch zwei Akteure, die in dieser Würdigung fehlen.

Saskia Beyer spielte Romulus' Frau Julia. Dass sie mit ihm nicht zufrieden war, ließ sie gesten- und mimikreich perfekt erkennen. Ihre Körperhaltung sprach Bände - eine überzeugende Leistung. Romulus betrat die Bühne und das Publikum klatschte innerlich Beifall. Seine Erscheinung, seine Stimme - Robert Steinbach eben. Witz und Charakter, bei ihm stellt sich beides zur richtigen Zeit ein. Ein absolutes Kabinettstück, zu dem auch Saskia beitrug, war die Szene, als und vor allem wie er mit seiner Frau Julia abrechnet. Da wuchs Gänsehaut allüberall. Und wenn er dann als Kaiser noch sagt, dass die Liebe zu einem Menschen wichtiger ist, als die zum Vaterland, dann spenden wahre Herzen stehende Ovationen.  

Herzlichen Glückwunsch allen Akteuren, Sie haben uns einen erlebnisreichen Abend bereitet. Danke.  

Ebenso herzlich möchten wir uns bei Frau Fischer-Trumpler und bei Frau Karpinski sowie bei Frau Riesner bedanken, die mit Ideen, Herzblut und jeder Menge Zeit diese beeindruckende Aufführung vorbereiteten und begleiteten.

 K. Reiter, im Januar 2015